Das Römer-Kastell in Hainstadt


 

Auf den Spuren des Römerkastells welches sich zweifelsfrei in Hainstadt befunden hat, besuchten wir das Saalburgmuseum in der Nähe von Wehrheim im Taunus. Hier wollten wir Informationen zu unserem Kastell finden. Auf den dort vorgestellten Lageplänen sind jedoch nur die größeren Kohortenkastelle wie eines später in Großkrotzenburg stand, aufgezeigt.
Die nachfolgenden Berichte stammen von Dr. Beckmann vom Saalburgmuseum und wurden bereits zu Anfang der 70er Jahre in dem Jahrbuch der Gemeinde Hainstadt veröffentlicht.


 
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  Der Hainstädter Siedlungsraum (Bericht v. Dr.Beckmann vom Saalburgmuseum)
  Die Saalburg

 

 

Das römische Kastell in Hainstadt und die nachfolgende germanische Besiedlung
von Dr. Bernhard Beckmann, Saalburgmuseum
(entnommen aus dem ersten Adressbuch der Gemeinde Hainstadt, 1972)
 

Die Zahl der Funde aus vorchristlicher Zeit, die der Hainstädter Boden bereits wieder hergegeben hat, ist nicht klein, vgl. den Beitrag zur ur- und frühgeschichtlichen Besiedlung. Als aber 1967 in Hainstadt ein römisches Kastell entdeckt wurde, von dem allerdings oberirdisch nichts mehr zu sehen ist, und in planmäßigen Ausgrabungen von 1967 bis 1969 untersucht werden konnte, vervielfachte sich die Zahl der Bodenfunde. Diese Ausgrabungen wurden mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Landkreises Offenbach und der Gemeinde Hainstadt unter reger Anteilnahme der Bevölkerung durchgeführt.
 
Schon in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts war neben der Straße nach Steinheim ein römischer Inschriftenstein mit "Bildern" entdeckt worden, der sofort Eingang in die damalige Fachliteratur fand. Heute ist er leider verschollen. Wenn wir auch nicht mehr wissen, was sein Text aussagte, ein gewichtiger Hinweis auf die Bedeutung des Hainstädter Raumes in römischer Zeit ist dieser Fund dennoch.
 
Hört man sich heute unter den älteren Einwohnern Hainstadts um, so erfährt man von Münz- und Keramikfunden, die seit Beginn unseres Jahrhunderts immer wieder beim Bau von Häusern am Ortsausgang nach Seligenstadt im Bereich der Hauptstraße gemacht worden sein sollen. Sie wurden leider sämtlich nicht registriert. Erst die Tätigkeit des für die Ur- und Frühgeschichte Hainstadts bedeutungsvollen Lehrers Roth brachte wieder Bodenfunde, die beachtet wurden, darunter auch römische Keramik. Als nach dem zweiten Weltkrieg eine regere Bautätigkeit an der Straße nach Seligenstadt und den angrenzenden Flurstücken, die bis dahin als Ackerland und für Obstkulturen genutzt worden waren, einsetzte, konnte durch die intensiven Beobachtungen der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege der Fundbestand aus römischer Zeit stark vermehrt werden. Das Auftreten der Funde war so gehäuft, daß bereits 1965 von einem zu vermutenden römischen Kastell die Rede war. Schon 1967 wurde es dann entdeckt.
 
Das römische Militärkastell, vgl. Abb. 1, liegt an der Hauptstraße am südöstlichen Ortsausgang von Hainstadt nach Seligenstadt. Die Kettelerstraße führt durch das Kastell hindurch. Die Carl-Ulrich- und die Friedrich-Ebert-Straße liegen außerhalb des Kastells. Mit seiner Langseite liegt das Kastell ungefähr parallel zum Main. Es mißt in der Länge (jeweils von Grabenspitze zu Grabenspitze gemessen) 111,75 m und in der Breite 97,50 m. Die nutzbare Innenfläche beträgt mithin nicht ganz ein Hektar. Bei dieser Größe dürfen wir nach unseren Erfahrungen mit einer Besatzung von 80 bis 100 Soldaten rechnen.
 
Das Kastell war ein Holz-Erde-Kastell. Der Aushub des umgebenden, nur an den 4 Toren unterbrochenen Spitzgrabens, war auf der Innenseite zu einem mit Holz verstärkten und verankerten Erdwall aufgeworfen worden. Auf der Krone des Walles befand sich eine hölzerne Schutzwand, hinter der die Soldaten im Verteidigungsfall Aufstellung nehmen konnten. Sämtliche Innenbauten des Truppenlagers - das sind die Wohnbaracken der Soldaten, das Magazingebäude, die Waffenkammern, Ställe und Schuppen, möglicherweise ein Fahnenheiligtum und die Kommandantenwohnung - waren als Fachwerkbauten oder ausschließlich in Holz errichtet. Das Kastell hat keine steinernen Innenbauten gehabt. Wie diese lnnenbebauung angeordnet war, wissen wir nicht. Mit den Ausgrabungen konnte dies nicht mehr geklärt werden. Die Spuren im Boden waren größtenteils durch die Nutzung als Acker und andere Ursachen gelöscht. Dennoch fanden sich zahlreiche Spuren in Form von Gruben und Pfostenlöchern, die zeigten, daß Menschen im Kastellareal gewohnt hatten.
 
Bei den Ausgrabungen wurden etwa 5000 Fundobjekte geborgen. Die meisten Bodenfunde sind keramische Reste. Jedoch wurden auch vollständig erhaltene Keramikgegenstände geborgen, darunter ein Krug, eine Öllampe und gestempelte Militärziegel. Besondere Bedeutung hatte die Terra Sigillata, eine Keramik für gehobene Ansprüche, die oft den Fabrikantenstempel trägt und damit gut datierbar ist. Beispiele siehe Abb. 2. Von einem späten Exemplar dieser Gattung fand sich eine Scherbe, die in stark stilisierter Darstellung den siebenarmigen Leuchter des Tempels in Jerusalem zeigt. Neben der Keramik fanden sich auch Reste oder Gegenstände aus Glas und Metall, so z.B. ein eiserner Fingerring, der auf der Schauseite ursprünglich eine Glaspaste getragen hatte. Auf die Hinterlassenschaften der nachrömischen Zeit wird weiter unten noch eingegangen werden.
 
Mit Hilfe der Funde läßt sich trotz der weitgehend zerstörten Reste der lnnenbebauung doch noch eine ganze Menge zu den geschichtlichen Abläufen in römischer und nachrömischer Zeit in Hainstadt und zu seiner Bedeutung an der Grenze des römischen Weltreiches gegen das freie Germanien sagen. Nach Ausweis der Funde muß das Kastell in den Jahren zwischen 90 und 100 nach Christi Geburt errichtet und mit einer Garnison belegt worden sein. In diesem Jahrzehnt regierten die römischen Kaiser Domitian (81-96), Nerva (96-98) und Trajan (98-117). Da Domitian einen Krieg gegen die Chatten führte, dabei spielte die Wetterau und das Vorland eine besondere Rolle, und er die römischen Provinzen Germania superior - dazu gehörte Hainstadt - und Germania inferior errichtete, wird das Kastell vermutlich zu seiner Zeit gebaut oder doch zumindest geplant worden sein. Vielleicht schon in den letzten Regierungsjahren Trajans, spätestens aber in den ersten Jahren der Regierung des Kaisers Hadrian (117-138) wird das Kastell Hainstadt im Zuge einer Umorganisation am Limes aufgelassen. Vermutlich tritt nun das große Kohortenlager in Großkrotzenburg mit seinen rund 500 Mann Besatzung die Nachfolge von Hainstadt an. Eine exakte Festlegung dieses Vorganges ist schwierig. Denn nach dem Auflassen des Kastells in Hainstadt durch das Militär wird es sofort oder doch sehr bald danach von anderen, zivilen Benutzern belegt. Das ist verständlich, denn hier sind feste Wege und Bauten vorhanden, die man nicht ungenutzt läßt.
Vielleicht handelt es sich bei der Nachfolgebelegung um vom Milltär abhängige Menschen, die für die Versorgung der Truppe verantwortlich waren. Für den Archäologen ist die zeitliche Fixierung dieses Wechsels in der Belegung schwierig, weil nach wie vor Funde in den Boden gelangen. Auch mit der Anfangsdatierung des Kastells in Großkrotzenburg kommen wir bei dem Versuch, diese Frage zu klären, nicht weiter; denn dort gibt es frühe Funde, deren Bedeutung nicht fest angegeben werden kann.
 
Die Zeit des Limesfalls, des Zusammenbruchs der römischen Reichsgrenze rechts des Rheins bald nach 250 nach Christus und die schon nach 230 n. Chr. einsetzenden Zerstörungen auf römischer Seite, sind im KastelIbereich von Hainstadt archäologisch nicht nachweisbar. Daraus schließen wir, daß das Areal zu dieser Zeit nicht mehr belegt war, für den eindringenden Feind also keine Beute mehr bot. Irgendwann, vermutlich erst nach 185 n. Chr., muß das Kastellgebäude in römischer Zeit endgültig aufgelassen worden sein.
 
In nachrömischer Zeit kommt es zu einer dritten Belegung des Platzes. Diesmal sind es die Germanen, die sich hier niederlassen. Offenbar waren die Reste der Umwehrung noch so gut erhalten, daß es sich für einen alamannischen Siedler, diese waren nach dem Limesfall zunächst die Herren des Landes, noch lohnte, hier ein Gehöft zu errichten. Deutliche Spuren seines Anwesens konnten im nordöstlichen Kastellteil ebenso nachgewiesen werden, wie die zahlreichen keramischen Reste einer germanischen Ware, vgl. Abb. 4. Auch die Scherbe der Abb. 2 mit dem siebenarmigen Leuchter gehört u. a. in diesen Abschnitt.
 
Der Zeitpunkt des Aufbaus des germanischen Anwesens muß durch ein vergleichendes Studium der germanischen Keramik, von der ein kleiner Ausschnitt in Abb. 4 gezeigt wird, noch genau festgelegt werden. Mit dem Beginn des 4. Jahrhunderts sind die Alamannen am Platz, vielleicht auch schon etwas früher. Im Laufe des 5. Jahrhunderts, vermutlich schon in der ersten Hälfte, verlassen sie diese Stelle wieder.
 
In spätmerowingischer Zeit, im 6.-7. Jahrhundert, sind die Franken die Herren des Landes. Ihre Hinterlassenschaften sind in Hainstadt gut belegt. Diese liegen aber nicht mehr im Kastellbereich, sondern im Ortskern. Die fränkischen Funde traten in der Rathausgasse und in der Josephstraße zutage (evtl. Abb. 61). Der heutige Ort Hainstadt ist also aus einer fränkischen Siedlungszelle hervorgegangen. Es besteht keine Kontinuität von der frühen alamannischen Besiedlung her. Das bedeutet, sehen wir von den Funden aus den urgeschichtlichen Perioden und von der römischen und alamannischen Belegung einmal ab, daß eine ununterbrochene Besiedlung von rund eineinhalb Jahrtausenden in Hainstadt vorliegt.



 

Der Hainstädter Siedlungsraum in ur- und frühgeschichtlicher Zeit
Von Dr. Bernhard Beckmann, Saalburgmuseum
(entnommen aus dem ersten Adressbuch der Gemeinde Hainstadt, 1972)
 

Nach einer weitverbreiteten - aber falschen - Auffassung, soll die Arbeit des Archäologen nicht nur eine aufregende und spannende Tätigkeit sein, sie soll auch nur im Orient oder doch zumindest in den sogenannten klassischen Räumen rund um das Mittelmeer ausgeübt werden. Tatsächlich aber besteht die Tätigkeit des Archäologen zumeist aus sehr viel nüchterner Kleinarbeit. Vor allen Dingen aber findet sie auch in unserer unmittelbaren Umgebung statt, denn der Boden unserer weiteren und engeren Heimat ist voll von Hinterlassenschaften, von Funden vergangener Zeiten. Eine amtlich organisierte Pflege (Landesarchäologe, Kreisheimatpfleger), Museen und Universitäten nehmen sich neben Liebhabern der Bergung, Bearbeitung und Auswertung dieser Bodenaltertümer an. Das Ergebnis der Forschungen, das mit Hilfe von Bodenfunden für den Hainstädter Raum erarbeitet werden konnte, soll an dieser Stelle knapp zusammengefaßt vorgetragen werden.
 
Zunächst aber noch ein paar allgemeine Bemerkungen zum Aufgabengebiet und zur Methode der Archäologie. Diese Wissenschaft ist eine historische Disziplin, d.h. sie trägt von ihrer Seite her mit dazu bei, unser Geschichtsbild vom Werden und Wachsen der Menschheit zu entwickeln. Die Quellen, die der Archäologe dazu ausschöpfen muß, sind für die größten Abschnitte der frühen Zeiten schriftlos. Diese Abschnitte bezeichnen wir als Urgeschichte. Stehen mehr oder minder häufig neben den materiellen Hinterlassenschaften auch schon Schriftquellen zur Verfügung, sprechen wir von der Frühgeschichte.
 
Die gegenständlichen Kulturreste, die Bodenfunde, muß der Archäologe durch systematische Ausgrabungen gewinnen - nur ein Teil der heute bereits in den Magazinen aufbewahrten Objekte wurde zufällig gefunden - und dann, so gut es geht, mittels geeigneter Methoden für seine Fragestellungen zum Sprechen bringen. Dabei dienen ihm nicht nur die Funde selbst, auch die Umstände, unter denen sie im Boden angetroffen wurden, d.h. die Fundumstände oder Befunde, sind wichtig. Dies macht deutlich, wie wichtig es ist, daß Funde vom Fachmann geborgen werden, oder anders ausgedrückt, planmäßig geborgene Funde sind in der Regel bessere Quellen als Zufallsfunde. Gelingt es, die gegenständlichen Kulturreste mehr oder minder gut zum Sprechen zu bringen - nicht alle Objekte sind da von gleicher Bedeutung - so muß sich der Wissenschaftler über den Wert und die Bedeutung der Aussage Klarheit verschaffen. Alle Funde, gleich aus welcher Zeit auch immer, sind entweder absichtlich in den Boden gelangt, so z. B. bei Gräbern, Versteckfunden oder an Opferplätzen, oder unbeabsichtigt, so z. B. bei verlorenen Gegenständen. In keinem Falle gelangten die Funde in den Boden, um späteren Generationen etwas zu überliefern. Auch gerieten mit Sicherheit nicht alle Kulturgüter, die es zu irgendeiner Zeit einmal gab, in den Boden, sondern nur ein kleiner Teil von ihnen. Von diesem kleinen Teil blieb wiederum nur das erhalten, was unvergänglich ist, also steinernes Gerät oder Keramik. Gegenstände aus Metall sind je nach dem Material und der Bodenbeschaffenheit unterschiedlich gut erhalten, d.h. Edelmetall besser als Bronze, diese besser als Eisen. Funde aus vergänglichem Material, wie Holz, Leder oder Textilien, sind nur unter ganz besonderen Erhaltungsbedingungen noch für uns auffindbar. Von dem kleinen Teil also, der heute unter diesen Umständen noch vorhanden ist, hat die Forschung aber nur wieder einen Bruchteil entdeckt. Selbst so große Objekte wie ein römisches Kastell mit seinen vielen Funden kann sich dem Auge der Wissenschaft über längere Zeit hin entziehen.
 
Der Archäologe muß sich beim Auswerten seiner Quellen darüber klar sein, mit welch einem kleinen Ausschnitt von Lebensspuren einer bestimmten Epoche der Menschheit, er deren Lebensbild rekonstruieren muß. Das mag auf den ersten Blick als Mangel erscheinen. Tatsächlich ist es das nicht, denn wir gewinnen ständig neue Quellen hinzu und mit verbesserten Methoden und neuen Fragestellungen bringen wir auch Quellen, die vor längerer Zeit geborgen wurden, erneut und intensiver zum Sprechen. D.h. die Wissenschaft der Archäologie ist in einem raschen Vorwärtsschreiten. Hier liegen die aufregenden und spannende Momente. Der Fortschritt in der Erkenntnis wird besonders deutlich.
 
Was wir bisher in sehr summarischer Form von der Auswertung und Auswertbarkeit der Bodenfunde gesagt haben, läßt sich unter dem Begriff der "Quellenkritik" zusammenfassen. Aber nicht nur diese muß der Archäologe ständig im Auge behalten, er muß sich auch den Raum anschauen, in dem er die Vorgänge der Vergangenheit studieren will. Der Raum hat mit seinen geographischen, geologischen und klimatischen Faktoren das Handeln der Menschen in früheren Zeiten viel stärker beeinflußt als etwa heute, da wir technische Hilfsmittel zur Verfügung haben, um uns notfalls das zu schaffen, was ein Raum von Natur aus nicht hat.
 
Der Hainstädter Siedlungsraum gehört zur Untermain-Ebene, einer natur-räumlichen Einheit, die vor allem durch eine weite Verbreitung von Schotterablagerungen des Mains mit Flugsandfeldern und Lößflächen charakterisiert ist. Diese Landschaft, vor Jahrtausenden gebildet und vom Main als dem gestaltenden Hauptfaktor immer wieder modifiziert, hat eine geringe Höhe über dem Meer, gehört heute zu den wärmsten Gegenden Deutschlands und hat ungefähr 600-700 mm Niederschläge pro Jahr. Das sind Faktoren, die, wenn auch in den verschiedenen Zeiten nicht konstant, den Menschen schon in frühen Zeiten angezogen haben.
 
Der Main übte allerdings nicht nur Anziehung auf den Menschen aus, er konnte bei Klimaverschlechterungen, die mehr Niederschläge bedeuteten, auch zur Gefahr werden. Bei stärkerer Wasserführung gab es Überschwemmungen, Versumpfungen in tieferen Zonen und Flußbettverlagerungen. Dies also sind die naturräumlichen Gegebenheiten, denen der Mensch sich anpassen mußte, bzw. die er nutzen wollte.
 
Nach dem Material, das der kulturtragende Werkstoff bestimmter Epochen der Menschen war, teilen wir die urgeschichtliche Zeit in die Stein-, die Bronz- und in die Eisenzeit ein. Die Steinzeit, in der der Mensch kein Metall kannte, beginnt im Dunkel der Vorzeit vor vielleicht 600000 Jahren. Die Menschen waren zunächst nicht seßhaft, sie hatten keine vorsorgende Wirtschaftsform. Sie lebten als Jäger und Sammler von dem, was die Natur ihnen zur Erhaltung bot. Mit den jagdbaren Tieren, die ihrerseits nicht standortgebunden waren, sondern je nach Jahreszeit große Strecken durchzogen, um Nahrung zu finden, wanderte der Mensch im jährlichen Rhythmus ebenfalls über größere Entfernungen. Die Menschen dieser frühen Zeit hinterließen nicht überall dort, wo sie gewesen waren, Spuren ihres Aufenthaltes. In diesen langen Zeiträumen gab es mehrere Eiszeiten und das Bild der Landschaft und damit seiner Bewohner änderte sich entsprechend beträchtlich. Vor 150000 bis 100000 Jahren sind Menschen in Groß-Umstadt, Kr. Dieburg, durch ihre steinernen Werkzeuge nachgewiesen. Sie werden auch den heutigen Hainstädter Siedlungsraum betreten haben. So wie aus der Altsteinzeit keine Funde aus Hainstädter Boden vorliegen, fehlen sie auch aus der Mittelsteinzeit. Derartige Funde kennen wir aus Steinheim a. M., Kr. Offenbach. Diese Funde sind schon wesentlich jünger, sie stammen aus der Zeit von rund 10000 bis 5000 Jahren vor unserer Zeitrechnung. Auch die Träger dieser mittelsteinzeitlichen Kultur, sie durchzogen im Jahresrhythmus nicht mehr so große Räume, sind noch nicht endgültig seßhaft. Sie übernehmen Elemente einer vorsorgenden Kultur, leben aber noch von Jagd, Fischfang und Sammeln. Ohne Spuren zu hinterlassen, werden diese Menschen den Hainstädter Raum berührt haben.
 
Die Ausgrabungen im römischen Kastell haben den bisher ältesten Bodenfund Hainstadts erbracht. Er gehört in die Steinzeit. Es handelt sich um ein größeres Bruchstück einer Feuersteinklinge, die als Arbeitsgerät benutzt wurde. Ihre feste Zuordnung zu einer bestimmten steinzeitlichen Kultur ist aber nicht möglich. Vielleicht geben eines Tages neue Funde über ihre genaue Zeitstellung Auskunft. Nicht ausgeschlossen ist, daß dieses Fundstück der jüngeren Steinzeit angehört. ln dieser Epoche sind die Menschen seßhaft geworden. Sie haben sich gegenüber den vorhergehenden Epochen in einem starken Maße von der Umwelt, von der Natur mit ihren oft lebensbedrohenden Zufälligkeiten unabhängig gemacht. Dies gelang durch eine vorsorgende Wirtschaftsform. Die Menschen domestizierten Tiere, damit war ihre Fleischversorgung unabhängig von Jagdglück und Jahreszeit. Man mußte auch nicht mehr in Gebiete ziehen, in denen es zu bestimmten Zeiten nahrhafte Früchte gab, man zog diese jetzt selbst. Der Mensch war damit nicht mehr in dem Maße ein Stück der Natur wie bisher, vielmehr begann er nun seine Umwelt zu gestalten. Dies ist in der Geschichte der Menschheit eine gewaltige Umwälzung, etwa vergleichbar mit der der Industrialisierung. Das Bauerntum ist nun das Fundament aller kulturellen Erscheinungen. In dieser Zeit lernt man auch den künstlichen Stein, die Keramik, herzustellen. Es gibt eine Reihe von verschiedenen Kulturen in diesem Abschnitt, der ungefähr vor 5000 bis 4000 Jahren vor Christi Geburt einsetzt Auch von diesen Kulturen gibt es, von der fraglichen Stellung der Feuersteinklinge abgesehen, keine Funde aus Hainstädter Boden. Die Funddichte aus dieser Epoche ist durch die verschiedenen Kulturen in den unmittelbar umgebenden Gebieten jedoch so stark geworden, daß der Hainstädter Raum mit zu den von den Menschen nunmehr ständig belegten Gebieten gezählt werden muß. Die Funde dieser Zeit, insbesondere aus den späten Phasen, lassen Einflüsse aus Mitteldeutschland ebenso erkennen, wie aus dem Mittelrheingebiet.
 
Mit der Metallzeit wird auch der Boden Hainstadts fündiger. Aus der Hügelgräber-Bronzezeit, die wir rund um 1500 v. Chr. ansetzen können, stammt ein Skelettgrab, das 1937 nördlich des Friedhofs gefunden wurde. Dem Toten war ein bronzener Dolch mitgegeben worden, dessen Griff aus vergänglichem Material bestanden hatte und auf der Klinge mit drei Nieten befestigt gewesen war . Die zweischneidige Dolchklinge mit kräftiger Mittelrippe ist noch 18,7 cm lang. Zur Ausstattung des Toten gehörte ferner ein bronzener Armring. Dieser Ring ist offen, er hat verdickte Enden und ist verziert. Zum Grab soll noch - heute nicht mehr erhalten - Keramik gehört haben. Diese Funde werden im Landesmuseum in Darmstadt aufbewahrt. Die zu diesem Grab gehörige Siedlung kennen wir bisher nicht. Ebenso geht es uns mit einem weiteren Grab aus der Bronzezeit, das beim Bau des Hauses Lindenstraße 18 zu Beginn der sechziger Jahre angetroffen wurde. Es hat ungefähr die Zeitstellung des vorigen Grabes. Leider wurden nur die Scherben von zwei Gefäßen geborgen, die sich heute im Landschaftsmuseum in Seligenstadt befinden . Die Funde zeigen eine enge Verbindung zum Mittelrhein.
 
Den späten Abschnitt der Bronzezeit nennt man auch Urnenfelderzeit. Es gibt in diesem Abschnitt, der ungefähr um 1200 v. Chr. anzusetzen ist, keine Körperbestattungen mehr. Man war dazu übergegangen, die Toten zu verbrennen und sie in einer Urne zu bestatten. Eine Vielzahl von kleineren Gefäßen gab man den Toten außerdem noch mit. Ob der Hainstädter Raum dabei von einer stärkeren Wanderungsbewegung erfaßt wurde oder nicht, möge hier undiskutiert bleiben. Funde aus diesem Abschnitt wurden in Hainstadt in den Ziegeleigruben zwischen dem Schönfelder Weg und dem Woog von Lehrer Roth festgestellt. Diese Funde zeigen enge Beziehungen zur Wetterau und zum Hanauer Raum.
 
In den ehemaligen Ziegeleigruben am "Oberdam" barg man die Reste eines Vorratsgefäßes des jüngsten Abschnitts der Bronzezeit, der schon zur Hallstattzeit (nach dem Fundort Hallstatt am Hallstätter See in Österreich benannt) gerechnet wird, etwa 800 v. Chr.. Hier haben wir vermutlich die Spuren einer Siedlung angetroffen, von der es noch den Friedhof zu entdecken gilt.
 
Die Jahre 1937 und 1938 brachten weitere Funde der Hallstattzeit in Hainstadt. Bei Bauarbeiten Ecke Kirchplatz und Schulstraße sowie für das Haus Jäger in der Genossenschaftstraße wurde Keramik dieser Zeit geborgen. Die Funde der Hallstattzeit befinden sich teils in Darmstadt, teils in Seligenstadt. Sie entstammen dem Zeitabschnitt zwischen 700 und etwa 500 v. Chr., der bereits der Eisenzeit angehört. Bronze wird zwar noch verwendet, aber das Eisen ist nun der kulturtragende Werkstoff.
 
Mit der späten Latönezeit, nach dem Fundplatz La Töne am Neuenburger See in der Schweiz benannt, kommen wir zur Frühgeschichte. Bei Ausschachtungsarbeiten für die Trauringfabrik Johann Kaiser wurden 1963 keramische Reste dieser Kultur zusammen mit römischer Ware des ausgehenden 1. Jahrhunderts n. Chr. gefunden. Wir haben es hier mit späten Ausbildungen einer einheimischen Ware zu tun, die mit römischer Keramik vergesellschaftet ist, die nun ihrerseits wieder Verbindungen zum römischen Kastell hat . Die Funde dieser und der Folgezeit vgl. den Beitrag "Das römische Kastell in Hainstadt und die nachfolgende germanische Besiedlung".
 
Fassen wir unsere Kenntnisse von den Bodenfunden Hainstadts der bis hierher behandelten Perioden zusammen, so müssen wir feststellen, daß alle Funde nur dort gemacht wurden, wo der Mensch intensiver den Boden umsetzte. Das ist da der Fall, wo gesiedelt wird und dort, wo Ton abgebaut werden kann. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Hainstädter Gemarkung. Der größte Teil birgt noch seine Geheimnisse. Wir hatten auch gesehen, daß wir zwar von verschiedenen Kulturen Reste kennen, nicht aber ihre gesamte Belegung in der Gemarkung.
 
Wenn dieser knappe Überblick über den Stand der archäologischen Forschung Hainstadts den Eindruck vermittelt hat, daß entscheidende Entdeckungen noch zu machen sind, dann hat er seinen Zweck erfüllt.



 

Die Saalburg
 

 

 
 

Im Juni 2004 besuchten meine Familie und ich die Saalburg im Taunus. Zu finden einfach über die A661 Richtung Bad Homburg und dann der Beschilderung folgen. Wo ich einige alte Mauerreste und Steinhaufen und ein kleines Museum erwartete, war ich doch erstaunt, daß dort ein komplett erhaltenes Kohortenkastell zu sehen ist.
 
Wie auf den Bildern links zu sehen ist, sind aber mehr als nur Mauerreste vorhanden. Es bietet sich ein überwältigendes Bild eines, wie ich nun weiß, gut restaurierten Kastells. Ein Förderverein, Freunde und Gönner begannen bereits von über 100 Jahren mit der Restaurierung der Saalburg. Das bedeutet, daß selbst die restaurierten Mauern und Holzbauten inzwischen schon wieder sehr alt und historisch wirken.
 
Es ist interessant zu sehen, wie die Fußbodenheizungen schon zur Römerzeit prima genutzt wurden und wo die Römer ihr taglich Brot gebacken haben. Im Museum kann man sich über den Verlauf des Limes informieren und unzählige Fundstücke der Römerzeit besichtigen. Ein Besuch lohnt sich.


 
letzte Änderung: 07.07.2004